Mittwoch, 26. November 2008

Ein paar Gedanken zur Adventszeit

Advent kommt vom lateinischen „Adventus“, was soviel wie „die Ankunft“ bedeutet. Aber wer oder was soll ankommen?

Schaut man in die kirchliche Tradition, dann ist die Adventszeit eine Fastenzeit. Die Psychologie des Fastens ist ein Akt des Leerwerdens, des sich mit seinem eigenen Inneren Auseinandersetzens und der Klärung des Geistes. Es scheint, dass die Säkularisierung, also eigentlich die Überführung von kirchlichen Gütern in die politische Gesellschaftswelt, hier total versagt hat. Denn wir erleben heute eine Zeit der Überfülle, des sich Verlierens im Stress und der Benebelung des Geistes (sofern überhaupt noch vorhanden).

Zwei Brüche im Denken möchte ich aufzeigen, die sicherlich prozesshaft waren und von diesen Brüchen her eine Antwort, auf die eingangs formulierte Frage, versuchen zu finden.

Für den ersten Bruch müssen wir ca. 3000 Jahre zurück in den mittleren Orient reisen. Man begann hier im mittlerweile errichteten Staat Israel eine Geschichtstheologie zu entwerfen, welche sich völlig auf das Kollektiv als Volk Jahwes bezog. Das Besondere an dieser Geschichtstheologie, die dann später im babylonischen Exil vertieft und weitergedacht wurde war, dass man eine Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Zeitarten vornahm. Um diese Zeitformen quasi altgriechisch zu umschreiben (denn im NT wird diese begriffliche theologische Implikation weitergeführt), heißt die eine Chronos. Dies ist die messbare Zeit, also der Lauf des Mondes, die Bewegung der Gestirne,…, das, was wir heute in unserem Alltagsverständnis mit Zeit bezeichnen. Der Bruch der sich aber hier nun auftat, ist der, dass es in dieser Zeit den, bzw. das, Kairos gibt. Kairos ist die erfüllte Zeit. Also eine Zeit, die quasi in die Chronoszeit einbricht oder diese erfüllt. Wir würden vielleicht heute mit den Worten sagen „dieser oder jener Tag war ein besonderer Tag“. Aber - und das finde ich wichtig, nahmen die Theologen der babylonischen Gefangenschaft, die klare Unterscheidung zwischen den beiden Zeitformen vor. Sonne, Mond und Sterne sind keine Götter, die angebetet werden durften. Nein sie sind Hilfsmittel, um sich an den Kairos, der im Kultischen Fest stets Gegenwart ist, zu erinnern und zu vergewissern. Man könnte auch sagen, dass in diesem Denken Jahwe jenseits der Natur ist und nur durch den Kairos bestimmt werden kann, dies wird z.B. in der Legende vom Exodus deutlich. Demzufolge ist der Bruch, der hier von statten geht, eine Vertiefung des Bruchs zwischen Natur und Kultur, indem man nun auch theologisch eine Zeit konstruiert und damit versucht, Chronos zu transzendieren. Man suchte also die Fülle der Zeit und damit den Sinn der Geschichte zu verwirklichen, indem man auf einen neuen Exodus hoffte, der nicht aus einem Naturgeschehen hervorgeht, sondern aus dem Eingreifen eines radikal transzendeten Wesens.

Der zweite Bruch den ich weiter aufzeigen möchte, ist der, in welchem wir uns in Mitten befinden. Unser Bruch ist allerdings ein doppelter.

Chronos (nicht nur der reine naturwissenschaftliche Sinn, vgl. A. Einstein, sonder auch unser Empfinden im Alltag, vgl. das beliebte „Die Nacht-Zum-Tag-Machen im Alltagserleben“) und Kairos (zumindest in der theologischen Bedeutung) sind uns beide abhanden gekommen. Wir könnten jetzt versuchen zu „restaurieren“, übrigens - eine sehr beliebte Theologenkrankheit. Aber weder lässt sich ein transzendentes Telos ausmachen, noch lässt sich unsere kulturelle Entwicklung zurückdrehen. Was also soll die Zeit des Advents, in der die alten Christen auf die Ankunft Christi warteten, bzw. sein Angekommensein im Chronos sich vergegenwärtigten und mit diesem Akt am Kairos partizipierten? Ich sagte es schon, Restauration kann nicht die Lösung sein und auch nicht das Einstimmen in die triviale Vorweihnachtsexistenz, die uns von der Gesellschaft angeboten wird.

Anfangs kritisierte ich den Akt der Säkularisierung, wobei die weltbildlichen und rationalen Wege, die gegangen wurden, nicht mit unter diese Kritik fallen, nein, meine Kritik bezog sich auf die anthropologische bzw. psychologische Entwicklung. Wir sollten wieder Zugang zu diesen adventlichen Praktiken finden. Dann können wir vielleicht mit dem inneren Auge sehen, dass über Leere, Askese, Verzicht und Besinnung und, in dem wir dem andern eine Herberge geben, eine Wirklichkeit auftaucht, die als unbewusster Urgrund die Quelle von Chronos und Kairos, von Natur und Kultur ist. Eigentlich kann man auf diesen Urgrund nicht warten, da er immer da ist, aber man kann ihn schauen. Der Weg geht über diese Praktiken, da sie den Raum aufschließen zum Überindividuellen, bzw. Transpersonalen. Aus dieser Perspektive lässt sich sogar so etwas wie eine Restauration der alten theologischen Sprache vornehmen, aber man wird sich hüten, sie mit vergangenen Weltbildern im Sinn von Chronos und Kairos unsymbolisch auszulegen.

Auf wen oder was also warten in der Adventszeit? Darauf, dass dieser Bewusstseinsraum in uns aufbricht, denn dann wird Weihnachten in der Tat ein Fest an dem wir feiern, dass Gott im Menschen wohnt. Wir warten also auf unser wahres Wesen, aus welchem wir schon längst leben. Ob wir diesem einen restaurativen Namen (aus welcher Tradition auch immer) geben, oder ob wir einen neuen finden, spielt dabei keine Rolle.

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