Samstag, 15. November 2008

Nietzsche und der Tod Gottes

Eine Woche Trainingspause, gibt mir etwas Zeit mich den philosophischen Studien zu widmen.


Mit Sicherheit ist schon sehr viel über dieses Thema geschrieben worden. Meine Ausführungen sind hier an dieser Stelle sehr fragmentarisch und eher als Blitzlichter zu verstehen. In diesem Semester darf ich mich mal wieder mit dem guten Herrn Nietzsche befassen, also Grund ein paar Gedanken hier dazu zu verlieren. Nietzsche lässt in seinem 3. Buch (125) der fröhlichen Wissenschaft, den tollen Menschen u. a. ausrufen:

„…Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unseren Messern verblutet, — wer wischt dies Blut von uns ab? Mit welchem Wasser könnten wir uns reinigen? Welche Sühnfeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht die Größe dieser Tat zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? ...“

Der tolle Mensch erschrickt, im Gegensatz zu seinen Zuhörern, über diese Tat. Die Welt wird in einen Abgrund stürzen, weil nichts mehr da ist, was sie hält. Nihilistische Visionen ziehen vor dem Auge des einsamen Rufers auf dem Marktplatz vorüber. Doch die Angesprochenen spotten nur über ihn oder verstehen gar nicht, was er sagen möchte. Wo ist Gott hin? , so fragen die Menschen auf dem Marktplatz. Ist er vielleicht einkaufen, im Urlaub oder arbeiten?

Sehr gut kann ich auf der einen Seite mit den Markbesuchern mitlachen. Beziehen sich ihre Sprüche auf eine theistischen Gott, der im Himmel irgendwo sitzt, auf uns aufpasst und die Geschicke des Erdballs lenkt, dann zeugen diese Sätze von Reife und Erwachsensein.

Doch nicht umsonst spielt die Szene auf dem Marktplatz. Ein Ort an dem sich das Volk sammelt, den täglichen Prozessen von Kauf und Verkauf nachgeht. An einem solchen Ort kann Nietzsche nicht mit in den Spott einstimmen.

Es ist der Spott des letzen Menschen (siehe „Also sprach Zarathustra“), ein Menschentypus, der sich in der Welt eingerichtet hat. Er geht seinen täglichen Verpflichtungen nach: Arbeit,

Essen, Kaufen, Verkaufen. Er schwimmt im Strom der Massen. Freud´s Herde! Menschen also, die an der Oberfläche leben.

Der gute alte Karl Marx machte in seinem materialistischen Geschichtsentwurf immer wieder deutlich, dass ‚Sein’ Bewusstsein bestimmt. Wir lassen uns vom Fernsehprogramm „zu- müllen“, konsumieren so viel wie möglich, stopfen alle möglichen Lebensmittel gedankenlos in uns hinein, lenken uns ständig ab, weil wir das Alleinsein bzw. das Denken oder Nachdenken fürchten. Wir haben nicht den Mut den Satz von Marx umzudrehen. Wie klingt dies? „Bewusstsein bestimmt Sein.“!!! (Gut, jetzt müsste man die Begriffe genauer definieren und operationalisieren, doch dazu fehlt hier der Platz. Lassen wir sie also einfach mal so stehen). Für diesen Schritt bräuchte es Mut, den Mut, die Frage nach einem letzen Grund des Daseins zustellen. Mut, dem Abgrund und der Leere in die Augen zu schauen. Denn wahrscheinlich sind wir so aufgeklärt, dass wir wissen, dass die überweltliche Gottheit unserer Kindertage tatsächlich gestorben ist. Sind wir auch so sensibel, das zu spüren?

Wir holen damit die Frage nach Gott vom Himmel auf die Erde und wandeln quasi Theologie in Anthropologie. Seltsamerweise tut dies genau der Schreiber des Johannesevangeliums, wenn es heißt, dass das der Logos Fleisch ward. Gott inkarniert also im Menschen oder besser gesagt, in allem was ist. Dies ist kein Pantheismus, denn gerade die Erkenntnisse der Quantenphysik haben gezeigt, dass die Welt viel offener ist, als wir annehmen. Dass Materie nicht auf Materie aufgebaut ist, sondern dass alles fließt und schwingt und ständig dabei ist, sich neu hervorzubringen. Man kann es Panentheismus nennen. Gott ist die Form, doch er geht nicht in ihr auf.

Vielleicht sollten wir das Wort Gott ganz weglassen, da es mit zu vielen Implikationen belegt ist. C.G. Jung schreibt: „Ob man nun das Prinzip des Seins Gott, Materie, Energie oder sonstwie benennt, man hat damit nichts erschaffen, man hat nur ein Symbol gewechselt ...“

Gott ist also ein Symbol für das Prinzip des Seins oder auch Nicht-Seins. Kann man dem Sein auf die Schliche kommen, wenn man die Oberflächen seziert, sie in Verhältnisse setzt, allgemeine Gesetze ableitet? Ich erwähnte weiter oben schon die Quantenphysik, im Bereich der Quanten gibt es keine Gesetze, alles ist mit allem verbunden. Eigentlich gibt es nur Verbindungen und keine Punkte. Alle Oberflächen die wir sehen, die wir auch selbst sind, sind quasi ausgemittelte Quantenprozesse. Die Stabilität wird durch immer neue Instabilitäten hergestellt. Ist Gott also ein Quantenfeld? Wenn wir sagen, dass dies die Grundlage von allem ist, was ist. Das Problem an der Frage ist, dass man das Feld nicht lokalisieren kann, es ist immer in Bewegung, wir sind ebenso dieses Feld wie der Baum oder der Stein. Es kommt also auf unser Bewusstsein an, wie wir leben, was wir tun und wie wir uns selbst verstehen. Im Johannesevangelium versteht sich der Mensch Jesus als ein Teil Gottes (wenn man es mal physikalisch sagen möchte, als Teil des Quantenfeldes) Ich und der Vater sind eins, heißt es. So auch wir, wir sind getrennt und doch verbunden mit dem Strom des Lebens. Wir können uns weggeben (quasi in eine Instabilität bringen) und uns wieder empfangen. Wir können auch zu Nietzsches letzen Menschen werden und auf dem Marktplatz stehen, dennoch haben wir am großen ganzen Teil, auch wenn wir unser Leben nicht bewusst in dieser Dimension verstehen.

Soweit ein paar Gedanken dazu, mit Sicherheit gibt es noch viel zu sagen und man möge mir die Leihenhaften quantenphysikalischen Darstellungen verzeihen. Ich empfehle das Buch von H.P. Dürr „Quantenphysik und Lebensfragen“ dort rollt er als Quantenphysiker das Thema mit entsprechendem Sachverstand auf.

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